Das war ein Fest!
Liebe Freund*innen,
Vom Rückblick – mit Durchblick – zum Ausblick. So haben wir die Rede aufgebaut, die wir bei unserer „Späterstich“-Feier gehalten haben. Auf dem Grundstück des zukünftigen Hauses, unter bunten Girlanden und umgeben von unterstützenden Menschen. Es war ein wunderbares Fest! Anlässlich dieses Meilensteins haben wir in unserer Rede nochmal den Weg der letzten Jahre reflektiert, wo wir jetzt stehen und wie es weitergeht. Diese kurze Geschichte von Gemeinwohlwohnen und der Metzgerstraße möchten wir gerne auch hier noch einmal mit euch teilen. Die Rede findet ihr weiter unten.
Auch im Juni gibt es Veranstaltungen, bei denen wir uns (noch besser) kennenlernen und begegnen können…
14. Juni: Café Lokal
Organisiert wird das Café Lokal von der Gruppe München International. Wir dürfen uns als lokale, politische Initiative vorstellen und auch andere Wohnprojekte aus der Gegend werden eingeladen. Es gibt kalte Getränke und warmes Essen.
Wann? Beginn um 19 Uhr
Wo? Haus der Jugendarbeit, Rupprechtstraße 29 (barrierefrei)
23. Juni: Kennenlernen und Onboarding-Treffen
Wir laden alle interessierten Menschen, die Lust haben sich in unserem Wohnprojekt einzubringen. Ein Nachmittag für Austausch und einen Einblick in unsere Organisation.
Wann? 15 – 17.30 Uhr
Wo? Fritz-Winter-Str. 14, München (barrierefrei zugänglich, eine rollstuhlgerechte Toilette ist vorhanden)
Wir bitten um eine kurze Mail zur Anmeldung für die Veranstaltungen oder wenn es Fragen gibt. Schreibt uns eine Mail an
So und nun zu unserer Geschichte…
Gemeinsam gehaltene Rede der Bewohnis der Metzgerstraße vom 4. Mai :
Rückblick
„Heute feiern wir den Tanz mit dem Spatenstich. Oder auch: Späterstich. Wir feiern all den Weg den wir zurück gelegt haben. Vor 8 Jahren saßen wir im Studentenwohnheim zusammen. Wir haben uns damals getraut über die Zukunft unseres Zusammenlebens zu träumen. Viele von denen die da dabei waren sind auch heute hier: Maria Jose, Tobi, Mechthild, Juli, … Wir waren uns in vielen Dingen uneinig aber eins war für uns alle klar: so wie es sich für uns anfühlt, bewegt sich die Welt in keine gute Richtung. Nur: Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir das selbst in die Hand nehmen — für unser eigenes Leben, für unsere Mitmenschen und auch für die Umwelt. So entstand Gemeinwohlwohnen. Die traurige Wahrheit ist: Immer mehr Menschen leben einsam, isoliert und ohne Gemeinschaft. Immer mehr Menschen fliehen aus ihrer Heimat weil Krieg und Klimawandel ihre Lebensgrundlagen zerstört. Immer mehr Menschen, die Hilfe brauchen, fühlen sich allein gelassen und müssen gegen ihren Willen in Einrichtungen leben. Wir wollen das ändern. Wir wollen eine Welt in der alle selbst darüber entscheiden können wo, wie um mit wem sie leben. In den ersten drei Jahren von Gemeinwohlwohnen entwickelten wir die Idee eines selbstverwalteten Wohnprojekts in dem Menschen verschiedener Hintergründe zusammenleben und sich im Alltag helfen: jung und alt, Schwarz und weiß, hetero und queer, behindert und nichtbehindert, hier und anderswo aufgewachsen. Die Idee begeisterte, aber die Umsetzung scheiterte: Wir wurden im Kreis herum geschickt: Vom Sozialreferat zum Inklusionsamt zum Bauamt zum Bürgermeister und wieder zurück auf Start. Dann nach Jahren des Planens, Netzwerkens und Scheiterns kam Ende 2020 die große Überraschung: Unsere Bewerbung auf die Metzgerstraße gemeinsam mit der Genossenschaft Kooperative Großstadt war erfolgreich. Eine kleine Baulücke mitten in München. Wir hatten das Los gezogen.“
Durchblick
„Seit 4 Jahren arbeiten wir nun Schritt für Schritt an dem Aufbau einer Bewohni-Gruppe, den Bauplänen für das Haus und dem Fundraising von 1.150.000 € für den Eigenanteil des Hauses. Wir arbeiten dabei schon jetzt so wie wir in Zukunft miteinander leben wollen: Wir kümmern uns umeinander. Für unsere Treffen bezahlen wir Kinderbetreuung. Wir machen Flüsterübersetzung, spontane Klo-Assistenz-Einsätze, Befindlichkeits-Runden und Achtsamkeits-Körperübungen… Wir achten die Perspektive der Betroffenen und Konflikte haben Vorrang. Auch dann wenn Geld und Zeitdruck im Raum sind. Und wenn wir Hunger haben? Essen wir. Und wenn wir müde sind? Machen wir Pause. In dem Haus, das hier gebaut wird, ist Platz für 16 Personen und einen Community Space im Erdgeschoss. Aktuell sind wir 10 Erwachsene und 2 Kinder. Bei jedem Menschen der neu dazukommt lassen wir uns Zeit und überlegen gut wer dazu passen könnte. Eins von uns hat das so ausgedrückt: „Wie wir sind als Gruppe ist einzigartig. Wenn noch so ein Haus wie dieses entstehen würde, es würde ganz anders werden.“ Stand heute, 4. Mai 2024 haben wir Direktkredite und solidarische Einlagen in Höhe von 700.000 € und Stiftungsgelder in Höhe von 300.000 € eingesammelt. Damit haben wir die Millionen geknackt. Es fehlen uns nur noch 150.000 €. Das ist unglaublich. Wir haben es fast geschafft! Ein großer Dank an all die Unterstützer*innen und Förder*innen!“
Ausblick
„Jetzt wo der Bau des Hauses so nah liegt, wird für uns eine Frage immer wichtiger: Was wird möglich, wenn dieses Haus steht? Denn eins steht für uns fest: Wir werden nicht aufhören weil das Haus da ist. Im Gegenteil: Wir werden mit noch größerer Kraft weitermachen. Wir wollen weitermachen, weil wir auf unserem Weg viel Wissen gesammelt haben, dass wir mit anderen teilen möchten. Wir wollen weitermachen, damit auch jene, die nicht in dieses Haus passen, anderswo einen Ort der Gemeinschaft finden. Wir wollen weitermachen, damit der hier entstehende Community Space ein Saatbeet für neue Initiativen und Gemeinschaften wird. Morgen am 5. Mai ist Protesttag der Menschen mit Behinderung. Der Tag steht für Inklusion und damit auch für die Abschaffung eines ausgrenzenden Systems aus Heimen, Werkstätten und Sonderschulen. Hier in Bayern bezuschusst der Staat den Bau von Alten- und Behindertenheimen mit circa 80.000 € pro Platz. Dieses Haus bekommt keine staatliche Förderung. Es ist zu inklusiv. In den letzten Tagen hatten wir eine Diskussion in der Gruppe: Sollen wir diese Rede mit Dankbarkeit und Freude beenden? Oder ist ein Gedenken angemessen an all jene Menschen, die in Heimen und Lagern ermordet wurden?* Letztendlich ist wohl beides wichtig: das Schöne zu feiern, aber auch das Hässliche zu benennen. Wir sind stolz darauf, mit diesem Projekt so weit gekommen zu sein. Uns geht es hier und heute aber auch um viel mehr als ein Haus. Uns geht es darum eine Art des Zusammenlebens zu finden, die solidarisch ist und niemanden ausgrenzt. Das geht uns alle etwas an – spätestens dann wenn wir alt werden.“
*) Ein aktueller Anlass zeigt, dass Hassverbrechen nicht nur der Vergangenheit angehören: In der Nacht zu Montag gab es offenbar einen rechtsradikalen Angriff auf ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung von der Lebenshilfe. Wir sind erschüttert, traurig und wütend über diesen feigen Akt der Zerstörung und Hassbotschaften. Unsere volle Solidarität geht an alle Menschen, die dort leben.
Lasst uns weiterhin zusammenstehen und gemeinsam dafür kämpfen, dass jeder Mensch – unabhängig von seinen*ihren Fähigkeiten – in Würde und Sicherheit leben und arbeiten kann – wo und mit wem er*sie will. Nie wieder ist JETZT.
An Alle, die in NRW leben oder Menschen kennen, die dort leben. Am Donnerstag, den 6. Juni um 17 Uhr findet vor der Hauptkirche Rheydt (Hauptstraße 90) in Mönchengladbach eine Solidaritätsbekundung statt. Teilt diesen Aufruf! Gemeinsam sind wir stark!
Alle Fotos: Frank Schroth | Fotografie
Habt ihr Fragen, Ideen oder Anregungen für uns? Schreibt uns gerne!
Bis bald,
Oli, Pia, Sofie und Samu für Gemeinwohlwohnen